Wie das Dunkel die Welt umhüllt Die "Einleitungsstraße " meiner Gedanken beginnt hier und wird selbst nach dem Ende meines Aufsatzes nicht enden. Ein Klassenzimmer in seinem Grundriss kann sich innerhalb von fünf Jahren nicht erwähnenswert ändern, jedoch die Atmosphäre. Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich keine Raumschiffe oder Astronauten vor mir - ich sehe Elend. Ein schreckliches Elend der Vereinsamung, der fehlenden Kommunikation, der kalten Leblosigkeit. Einmal in der Woche wird man die Schule besuchen, zur Hinfahrt benützt man keinen Schülerbus, sondern einen Minitraktor, der mit Wasserstoff betrieben wird. Kinder- und jugendsicher natürlich. Kilometerlange Parkplätze ziehen sich entlang der Schule: grauer Beton als Begrüßung. Selbstverständlich gehört jedem Schüler ein Fahrzeug, da man in der Gemeinschaft sonst "Dummheiten", wie schwerwiegende Gespräche begehen könnte. Und davon will man die Kinder ja fernhalten, vor den Problemen der Welt. Sie gehen nicht in die Schule, um zu lernen, wie man mit Schwierigkeiten umgeht, sondern, dass das Leben nur ein Spiel ist, für jeden. Gemeinschaftserlebnisse, wie lustige Ausflüge, welche den sozialen Zusammenhalt fördern, sind streng verboten. In der Schule angelangt, trifft man sich nicht mir Freunden, sondern versucht, die verschlüsselten "Codes" von anderen zu lesen, natürlich, bevor selbige eintreffen. Hat man eine Neuigkeit gefunden, egal, ob intimes Geheimnis oder romantischer Liebesbrief, sendet man mit Hilfe von E-mails an jeden Computer eine betreffende Nachricht. Wenn dann der Unglückselige, dessen Innenleben nach außen gekehrt wurde, ankommt, wird er nicht etwa für kurze Zeit aufgezogen, nein, nur überheblich angesehen, um ihm seine Verachtung für die Widerwärtigkeit seiner Gedanken zu zeigen. Nie wieder wird jemand versuchen, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Somit ein Außenseiter anderer Art - wie jeder einer sein wird, da ja jeder Schüler (und manchmal sogar der Lehrer!) imstande ist, mit seinen geistigen Fähigkeiten und nicht vorhandenen Gewissensbissen in das Reich eines anderen einzudringen. Unterricht selbst in all seinen Eigenheiten existiert nicht mehr. Irgendwann kommt der Lehrer herein, ohne "einen wunderschönen guten Morgen", ohne irgendeine Laune. Gefühllos wie kalter Stahl. Der Arbeitsauftrag lautet, Informationen aus dem Internet herauszuholen und mit dieser einzigen Unterstützung z. B.: das Wurzelziehen zu lernen. Fragen gibt es nicht (da der Lehrer sonst seinen berechnenden Blick schweifen ließe) und man hat Angst, seinen Nachbarn um Hilfe zu fragen. Eine der Urängste war schon immer die Angst vor Zurückweisung und Zurückstoßung. Außerdem misstraut jeder jedem. Schließlich könnte er einen Tag vorher den eigenen Computer untersucht haben. Die Angst davor, dass das Wissen über die eigene Unwissenheit die Oberhand gewinnen könnte, dass eine Flut des Kummers alles unter sich begraben würde, nur weil der andere etwas weiß, von dem nicht einmal der eigene Verstand eine Ahnung hat. Somit herrscht Stille, als wäre es nicht ein Klassenzimmer, sondern eine Gruft. Ab und zu erklingt ein dumpfes Geräusch, bei dem sich die Herzen zusammenkrampfen und so mancher Schüler fährt in die Höhe vor Schreck, wie aus einem schlimmen Traum. Entweder ist gerade ein Schüler ohnmächtig geworden, man muss sich nämlich den immensen Druck vorstellen, der auf der kleinen Schülerseele lastet - oder jemand simuliert, um die Aufmerksamkeit wenigstens für einige Sekunden auf sich ziehen zu können. Mit der Zeit lernt aber jeder nichtsdestotrotz, dass die Ohren gewissermaßen abstumpfen und die Hand des Lehrers, die auf den Schaltknopf "erste Hilfe" drückt, aufgehört hat zu zittern. Die zugezogenen Vorhänge und das schummrige Licht verbessern diesen Zustand nicht. Viele empfinden das Leben in den ersten Tagen wie in einer Todes-Höhle, ohne Worte, doch mit der Zeit wird man manipuliert und eine Maschine, die nicht einmal eine anregende, simple Unterhaltung führen kann. Die Pausen verbringt man wie immer auf dem Schulhof, damit wird Sauerstoffaufnahme erzwungen. Der ideale Ort für ein Paar Scherze, ein paar Lacher, ein paar Worte? Nein, ein Vorwand, um wenigstens einige Minuten fliehen zu können, vor der aufgestauten Aggression, vor der eigenen Kraft, die tief in einem steckt und langsam, immer schneller zum Vorschein kommt. Die stickige Luft in der Klasse und die Bewegungseinengung sind nicht gerade als gesund zu bezeichnen. Die üblichen Schulhofgespräche drehen sich in naher Zukunft um Computerchips, Speicherkapazität und Modems. Wenn überhaupt jemand den Mut findet, auf jemanden zuzugehen, um ein paar Worte zu wechseln. Wem diese Dinge nicht geläufig sind, der wird mit seiner eigenen Gesellschaft vorlieb nehmen müssen. Der einzige Schultag wird als unabwendbare Pflicht hingenommen, insgeheim aber fürchtet man das Zuhause ebenso wie die Klassenkameraden. Früher konnte man in der Schule Zuflucht finden vor den Eltern, vor der Normalität. Und zu Hause hatte man Ruhe, Frieden, manchmal sogar Geborgenheit. Ein Platz, der dazwischen existiert, ist schwer zu finden. Und so verkriecht sich jeder in seine Welt, wo eigene Bestimmungen herrschen und Gesetze, die zu brutal sind, um gerecht zu sein. Alltäglichkeiten fehlen - seltsame Dinge die Gewöhnung versprechen. Jede Woche haben die Schüler bestimmte Themen, die sie dann daheim zu erarbeiten haben. Wer sich ein paar Tage freinimmt, bekommt keine Strafe für Ungehorsam oder Schuleschwänzen. Wenn der Schüler seine Chance nicht nützt, etwas zu lernen, wird er auf der Strecke bleiben. Ohne Strafe und Schelte lernt niemand, Verantwortung zu übernehmen oder ein Versprechen zu halten. Trotzdem ist die Last, die man den armen Schülern aufbürdet, größer als je zuvor. Wie sollen diese unschuldigen "Verbrecher" je lernen, dass es Unterschiede zwischen Gut und Böse gibt, Unterschiede zwischen Leben und Sterben? Die Nährung des Untergangs der Welt schreitet immer dann fort, wenn niemand die Regeln kennt, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Die Regeln, die das Zusammenleben möglich und unerträglich zugleich machen. Was geschieht mit ihnen? Werden sie verschluckt oder ausgespien von den ewigen Höllenfeuern des Himmels? Ungewollte Erklärungen zeigen einen Einblick in die Politik des Schabernacks, in die ungeschminkte, verletzende Wahrheit. Als eine Tatsache ist anzusehen, dass die Anforderungen an die Lehrpersonen nicht mehr demselben Niveau wie dem heutigen entsprechen. Also ist eine kürzere Ausbildung erforderlich, was wiederum den Staat weniger kostet. Allerdings wird die Arbeitslosenrate stark ansteigen und das Pensionsalter wird herabgesetzt. Das kostet den Staat wieder mehr. Ein fortwährender Kreislauf, oder besser formuliert, ein Teufelskreis. Bibliotheken und sonstige Büchereien kommen nur noch in Märchen und Sagen vor, die grausame Realität bestimmt den Alltag. Da man alles im Computer speichern kann, ist es unmöglich, in die wunderbare Welt des zerfledderten, alten Buches einzutauchen. Bücher können Geschichten erzählen, wenn sie nur mit einem Blick gestreift werden. Man könnte sich ausrechnen, wie viele Kinderhände es bereits gestreichelt, liebkost haben, als wäre es der größte Schatz auf Erden. Gute-Nacht-Geschichten werden nicht mehr erzählt, da die Kleinen bis spät in die Nacht hinein Computerspiele spielen, die für sie natürlich viel aufregender sind als alte Legenden. Die Jugend der Zukunft ! Den Graf von Monte Christo gibt es schon auf Diskette. In seinem Namen kann man die schrecklichste Rache vollziehen, ohne auf Schuld und Vergebung Rücksicht zu nehmen. Und "Black Beauty" wird ein Zeichenprogramm genannt. Verweichlichte Seelen von unterentwickelten Menschen, unfähig, sich fortzubewegen, einzutauchen in die Vergangenheit. Das erste Mal kann man von der guten, alten Zeit sprechen, von früher. Die Liebe lernt man beim Chatten kennen, aber außer belanglosen, kühlen Dingen wird kaum ein Wort der Vernunft, des Gefühls gebildet. Was der Mensch nicht kennt, stößt er automatisch ab. Fremdes muss nicht gleich Schlechtes sein, doch wer ist vorhanden, um die Menschheit zu lehren? Ein Wunderheiler? Ein ganz normales Lebewesen, das als Tier gescheiter ist als wir? Wenn wir den Mitmenschen nicht mehr zuhören, wer versucht dann die primitive, aber wirkungsvolle Sprache des Tieres zu verstehen? Kann mir überhaupt irgend jemand eine Antwort auf meine Fragen geben, die sinnloser sind als die Evolution? Oder verstehe ich sie nur nicht, weil ich die Zukunft nicht versteh? Besteht das Leben aus Antworten der Gegenwart oder Fragen der Zukunft? Ist das, was wir glauben zu besitzen, überhaupt wirklich? Die Zukunft wird es bringen, wenn sie uns genommen hat. Bevor wir phantasieren über neue Chancen, müssen wir denen die Hände reichen, die sie uns anbieten. Erst wenn wir die Gegenwart nützen, könnten wir die Zukunft zurechtbiegen. Vielleicht wird sie nicht so, wie wir sie wollen. Vielleicht bringt sie Kälte, Untergang und einen Hauch des Todes mit sich. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es besser kommt als die Vergangenheit. Dass die Schatten der Vernichtung, die noch auf manchen Staaten haften, abgestreift werden können, dass die Liebe zu dem Ich wieder aufgebaut werden kann. Meine dunkle Vorahnung einer Zukunft ist ein Teil von mir, doch trotzdem wende ich mich gegen sie und hoffe, dass diese eines Besseren belehrt wird. So kann ich nur sagen: Viel Glück der Zukunft, denn sie kann es brauchen! Andrea Pointner, 4 B, Hauptschule Kuchl |